Sonntag, 7. November 2010

Papst Benedikt weiht Sagrada Familia zur Basilika

TR - Der 7. November 2010 ist ein besonderer Tag für die katholische Kirche: Die von Antoni Gaudí entworfene Sühnekirche Sagrada Familia soll von Papst Benedikt XVI. zu einer päpstlichen Basilica minor geweiht werden.

Es herrscht höchste Sicherheitsstufe. Polizisten werden aus der ganzen Provinz mit Einsatzwagen und Mannschaftsbussen in die Stadt gekarrt. Ein Anschlag muss auf jeden Fall verhindert werden.


Bereits Tage vor dem Grossereignis wird das Gelände um die Sagrada Familia grossräumig abgesperrt. Zugang haben nur noch akkreditierte Gläubige und Journalisten sowie Anwohner, die sich mit ihrer Meldebescheinigung oder einer Strom- oder Wasserrechnung als tatsächlich in einem Haus in der Sperrzone wohnhaft ausweisen können.

Ganz zu schweigen vom Gottesgebäude selbst. Selbstverständlich dürfen an der Heiligen Messe nur eingeladene VIP-Gäste teilnehmen, zu denen vor allem der Klerus aus dem Vatikan und Amtsträger aus Politik und Gesellschaft gehören. Die künftige Basilika fasst 7500 Personen, doch aus Sicherheitsgründen wird sie nur für 5000 bestuhlt. Für den normalen Gläubigen oder Bürger bleibt da nur die Live-Übertragung im Fernsehen und Internet oder die beiden Grossleinwände, die in der Calle Marina, der Zufahrtsstrasse zur Sagrada Familia aufgebaut werden.
Zwischen 9.00 und 9.15 Uhr wird der Heilige Vater hier mit seinem Papamobil vorbeifahren. Soll ich mir den Wecker tatsächlich so früh stellen? Die Frage erübrigt sich am Morgen des Grossereignisses, denn bereits ab 7 Uhr kreisen die Hubschrauber über unserem Haus und so ist an Schlafen nicht mehr zu denken. Auf geht´s, es ist strahlend blauer Himmel und ein bisschen frische Luft tut gut! Als ich um 8 Uhr an der Marina bin, sind die Plätze an der Absperrung bereits mit Gläubigen, die in Ausflugsbussen angereist sind, belegt.

Gläubige und Schaulustige haben sich versammelt und warten geduldig. Über die Leinwände wird die Fahrt des Papstes durch die Stadt übertragen und die Menge stimmt zu Willkommenssprechchören an. Doch nicht alle sind begeistert. Vor allem Papstgegner und Kirchenkritiker pochen auf die strikte Trennung von Kirche und Staat und haben Transparente an Balkone gehängt.

In Sekundenschnelle rast plötzlich das Papamobil vorbei und der Spuk ist vorbei, ohne dass man ihn wahrnehmen konnte. Das soll es gewesen sein? Doch, einige Gläubige schweben in Glückseligkeit...


In wenigen Minuten leert sich der Platz. Wieso bleiben die Leute denn nicht zur Messe? Ich kann es nicht glauben und beschliesse, gegen Ende der Zeremonie erneut in die Calle Marina zu gehen. Die Weihe selbst verfolgen wir vom heimischen Internet per Livestream. Papst Benedikt hält die Messe abwechselnd in Spanisch und Katalanisch, um allen Anwesenden gerecht zu werden.

Als ich zurück zu den Grossleinwänden komme, herrscht eine lockere Atmosphäre unter den wenigen Gläubigen. Man hat es sich bequem gemacht und lauscht mit halben Ohr den heiligen Worten.

Ich positioniere mich an einer Absperrung, umgeben von jungen Mädchen einer katholischen Schule aus dem Umland, um die Rückfahrt des Papstes aus erster Reihe zu erleben. Kaum sind die letzten Worte Ratzigers verschallt, füllt sich der Platz erneut.

Der Konvoi von Polizei- und Sicherheitsfahrzeugen begleitet zunächst den schwarzen Mercedes, aus dem die spanische Königin Sofía winkt.

Bald darauf braust das Papamobil wieder in Sekundenschnelle vorbei, doch dieses Mal blickt der Heilige Vater sogar in unsere Richtung. Na, immerhin!

Die Fähnchen werden wild geschwenkt, die Kameras klicken und das Jubelgeschrei der Mädchen erinnert an Popkonzerte von Justin Biber. Na also, jetzt sind alle glücklich!

Donnerstag, 14. Oktober 2010

Rebellion gegen Reformen

Der 29. September sollte der Tag der Gewerkschaften werden. Ein Tag, der in die Geschichte eingeht. Ein Tag der sichtbaren Rebellion gegen die angekündigten Reformen der spanischen Regierung. Einen Tag lang sollte das Land still stehen. Generalstreik!

Doch am Morgen des “29-S” weckt mich der übliche Straßenverkehrslärm, der durch die nicht-isolierten Fenster unserer Wohnung dringt. Ich hatte mich auf eine angenehme Stille gefreut, wie ich sie während des Ferienmonats Augusts genossen hatte, als das ganze Land sich im Jahresurlaub befand. Doch an diesem Morgen wies wenig darauf hin, dass dies kein normaler Arbeitstag sein sollte.

Kurz vor dem Streiktag hatten die Gewerkschaftsführer einen “Mindestbetrieb” von öffentlichen Verkehrmitteln zu den Hauptverkehrszeiten zugesagt. Zur Rush Hour sollten zumindest 25% des öffentlichen Nahverkehrs in Betrieb sein. Dies bedeutete in Barcelona, dass die U-Bahn im Acht- bis Zehnminuten-Takt fahren würde. Im Vergleich zum üblichen morgendlichen Takt anderer europäischer Städten immer noch eine hohe Frequenz, über die man sich in anderen Städten freuen würde.

Ich mache mich ein klein wenig früher auf den Arbeitsweg als sonst. Die Metro kommt nach ein paar Minuten und erstaunt erblicke ich die gleichen Gesichter, denen ich allmorgendlich begegne. In Badalonas Gewerbegebiet gehe ich vorbei an geschlossenen Werktoren, hinter denen jedoch die üblichen Produktionsgeräusche zu vernehmen sind. Geschlossene aber nicht verschlossene Restauranttüren, keine Tafeln mit der Tageskarte vor der Tür, doch bei näherem Hinsehen sitzen die Gäste dennoch an den Tresen und schlürfen ihren morgendlichen Kaffee.

Fast alle meiner Kollegen sind zur Arbeit gekommen. Manche argumentierten, dass sie es sich aus ökonomischen Gründen nicht leisten könnten einen Tag Gehalt zu verlieren, andere empfanden den Streik als ein ungeeignetes Mittel gegen den Reformkurs. Doch die Angst vor Streikposten, die die Arbeitenden notfalls gewaltsam von der Arbeit abhalten könnten, ist groß. Man arbeitet, aber möglichst unauffällig. Viele haben Freizeitkleidung statt Arbeitskleidung angelegt. Unser Chef stellt sein Auto im Lager unter.

Am frühen Abend, auf dem Heimweg, hat selbst die Heimlichtuerei ein Ende. Ich komme aus der Metro und alle Geschäfte haben wieder normal geöffnet. Supermarkt, Bäcker, Drogerie, Bars und Restaurants, sogar der Frisör und der Immobilienmakler.

Die Gewerkschaften haben verloren. Dies ist ein Erfolg für Ministerpräsidenten Zapatero und sein Sparprogramm. Aber es ist noch mehr: es ist auch ein Symbol für den Willen des Aufschwungs. Das breite Volk hat sich nicht hinter dem Gewerkschaftsaufruf “Und alle Räder stehen still, wenn Dein starker Arm es will!” versteckt. Das Verständnis für die angekündigten Maßnahmen der Regierung ist doch größer als erwartet.

Montag, 21. Juni 2010

Costa Brava: Schroffe Felsen und tiefblaues Meer

TR - Ein paar freie Tage sind ideal, um den nördlichen Teil der Costa Brava zu erkunden. Dort, wo sich der (Party-)Massentourismus a la Lloret de Mar aufgrund der geografischen Gegebenheiten nicht in voller Wucht ausbreiten konnte. Dort, wo es statt Bettenburgen noch Fischerboote gibt. Dort, wo, die wilde Küste ihrem Namen alle Ehre macht.

Jetzt in der Vorsaison hat man in dieser beliebten Ferienregion noch seine Ruhe und kann die ganze Schönheit der Küste erspüren. Meidet man die bekanntesten Orte wie Cadaques oder Calella de Palafrugell so ist man an Pfingsten vielerorts noch (fast) alleine. Am Cap de Creus, dem östlichsten Punkt der iberischen Halbinsel, wo die Ausläufer der Pyrenäen ins Meer fallen, lässt es sich nicht nur wunderbar wandern, sondern auch in kleinen felsigen Buchten baden und schnorcheln.

Wir quartieren uns in das beschauliche 5000-Seelen-Dorf Llança ein und erkunden von hier aus die Gegend. Im benachbarten Port de la Selva starten wir eine kleine Wanderung auf dem Fernwanderweg GR 11 bis zur wild-romantischen Bucht Tavallera. Auf unserem Weg offenbart sich der Frühling in seinen schönsten Farben. Wir wandern durch duftende Wiesen und blicken auf das tiefblaue Meer.

Am nächsten Tag wandern wir auf der grünen Staatsgrenze zwischen Spanien und Portugal meist entlang der Krete und lassen anschliessend die Füsse im kühlen Wasser der Halbinsel zwischen Llança und Portbou entspannen.

Zehn Tage später erkunden wir einen weiteren Höhepunkt der Costa Brava. L´Estartit bietet sich an als idealer Ausgangspunkt für Tauchexkursionen ins Unterwasser-Naturschutzgebiet um die Medas Inseln (Illes Medes), welches als bestes Tauschrevier im Mittelmeer gilt, aber auch für Landexkursionen ist der am Fusse des Bergmassivs Montgrí gelegene Ort ein guter Startpunkt.

Wir nehmen uns eine sehr preisgünstige Familienpension, deren Zimmer mit Balkon und Blick auf den Yachthafen ein toller Deal sind.

Ueber den GR 92 gelangen wir zur winzigen, von schroffen Felsen umrahmte und nur zu Fuss oder per Boot erreichbare Cala Ferriol.

Aber auch wer genug hat von Felsen und Steinen und sich nach weichem Sand sehnt, muss nicht weit fahren. Unweit von L´Estartit aus beginnt der feine, kilometerlange, flache Sandstrand von Pals, der zu Strandspaziergängen und zum Faulenzen einlädt.

An unserem letzten Tag hängen graue Wolken am Himmel und die Temperaturen sind gefallen. Zum Glück bietet die Region auch ausreichend Schlechtwetteralternativen. Wir fahren etwas ins Hinterland und besichtigen zunächst die Ausgrabungen von Ullastret. Die älteste bekannte iberische Siedlung datiert aus dem 7. Jahrhundert vor Christus. Die Grundmauern der Häuser und Tempel sind ebenso wie die alte Stadtmauer mit ihren Türmen gut erhalten. In den Boden eingelassene Zisternen und Getreidespeicher zeugen vom Leben der ersten Bewohner Spaniens.

Etliche Jahrhunderte jünger präsentiert sich das mittelalterliche Dorf Peratallada mit dicken Mauern und schiefen, kleinen Fenstern. Das herausgeputzte Dorf hat viel Atmosphäre. Auf dem Marktplatz ist gerade ein traditioneller Markt mit Weinen und Lebensmitteln aus der Region. Mit hausgemachter Salsa Brava und Salsa Aioli nehmen wir uns den Geschmack der Costa Brava mit in die heimische Küche.

Freitag, 30. April 2010

Rosen und Bücher

Barcelonas Strassen quellen über von Menschen, Büchern und Rosen. Wir datieren den 23 April. In Katalonien wird die Diada de Sant Jordi gefeiert, der Festtag zu Ehren des am 23. April des Jahres 303 verstorbenen Sant Jordi, des heiligen Georgs. Als Schutzpatron verschiedener Nationen wie England und Portugal ist der frühchristliche Märtyrer aus Kappadokien auch der Schutzpatron von Katalonien.

Doch was hat Sant Jordi mit Rosen und Büchern zu tun? Der Legende nach wurde das Königreich wurde von einem abscheulichen und hungrigen Drachen bedroht und konnte nur besänftigt werden, indem man ihm täglich ein Tier und einmal jährlich eine junge Frau opferte. Als das Los auf die Prinzessin fiel, bot der König unsagbaren Reichtum für denjenigen, der seine Tochter an Stelle der Prinzessin opferte. Doch niemand erklärte sich bereit, da jede Familie bereits Verluste ertragen musste. Als die schöne Prinzessin schon im Schlund des Drachens lag, kam Sant Jordi vorbei geritten und rammte sein Schwert mitten ins Herz des Drachens. Aus dem Drachenblut entsprang eine Rose, die der Drachentöter seiner geretteten Prinzessin schenkte.

Hieraus entwickelte sich das Ritual, Rosen zu schenken. In Anlehnung an das Buch, in dem diese Legende aufgeschrieben wurde, erweiterte man das Geschenkrepertoire um Bücher.

Traditionell schenkt der Mann der Frau eine Rose und die Frau dem Mann ein Buch. Die Rose wird verziert mit einem rot-gelb-gestreiften Band, der katalanischen Fahne.

An Balkonen und Geländern flattert die Unabhängigkeitsfahne. Katalanischer Nationalstolz und katalanischer Nationalismus und Separatismus geben sich die Hand. Die grossen katalanischen Parteien aber auch private Organisationen, die für ein freies, von Madrid unabhängiges Katalonien kämpfen, nutzen den Tag als Präsentationsplattform.

Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass katalanische Autoren und Bücher zur katalanischen Geschichte und Sprache den Büchermarkt dominieren.

Dennoch, es gibt auch Ausnahmen, wie dieser Stand mit Literatur ausschliesslich in deutscher Sprache:

Oder dieser Stand, der eine kleine Auswahl der Vielzahl der Sprachen aufzeigt, in denen der Kleine Prinz von Antoine de Saint-Exupéry veröffentlicht wurde. Sogar regionale Dialekte wie Bärndütsch (Der Chly Prinz) oder Piemontesisch (El cit prinsi) sind vertreten:

In Anlehnung an die katalanische Tradition erklärte die Unesco 1996 den 23. April zum Welttag des Buches. An diesem einen Tag erzielen die katalanischen Herausgeber 8% ihres Jahresumsatzes. Um ihren Verkauf zu fördern, gibt es mancherorts Rabatte und Autogramme der Autoren.

Um Kunden anzulocken erweitern auch die Rosenverkäufer ihr Portfolio um haltbare Rosen, kunsthandwerklich gefertigt aus Papier, Stoff oder Emaille. So ist für jeden etwas dabei!