Donnerstag, 30. Juli 2009

Staatslimo 100.000 € vs.Ford Escort Bj.1994

TR - Was haben der gepanzerte Mercedes der Ministerin und mein roter Ford Escord gemeinsam? Der Wert und das Baujahr können es nicht sein. Und doch: Spaniens Kriminelle sind so auf den Kopf gefallen, dass sie den Unterschied nicht erkennen.

Kürzlich musste ich nämlich eines schönen Morgens feststellen, dass man in meinen Wagen mit einem Brecheisen eingedrungen war. Die gesamte Beifahrertür ist an allen drei Seiten so verbeult und verzogen, dass es nun reinregnet. Natürlich fanden die Diebe keine Wertsachen. Und alles andere empfand man offensichtlich als uninteressant. Fast alles....die dreisten Diebe machten es sich in meinem Auto gemütlich und durchstöberten bei einer Zigarette, deren Asche sie achtlos wegschnippten meine Cassetten-Sammlung! Ein paar wenige entsprachen wohl ihrem Musikgeschmack...

Montag, 20. Juli 2009

Sandstrand und Hochgebirge


JK - Barcelona und Berge, das war für mich lange Zeit nicht zusammenzubringen. Liegt Barcelona doch an der Küste, am Mittelmeer, was will ich da in den Bergen? Ausserdem sind die Pyrenäen ja auch viel schechter zu erreichen als seinerzeit die Hausberge in München, dachte ich.

FALSCH!!!!

Angestachelt durch den Camino und nach 2 Jahren an den Stränden Cataluñas haben wir uns vergangenes Wochenende zum ersten Mal wirklich in die Pyrenäen aufgemacht. Ribes de Freser sollte der Ausgangspunkt der Touren werden. Zentral gelegen in einer der bekanntesten Pyrenäen-Regionen in der Nähe des Vall de Núria, einem auf knapp 2.000m gelegenen Tal mit Kloster, das man ausschließlich mit einer Zahnradbahn oder zu Fuß erreichen kann. Auto, Fehlanzeige. Also genau das Richtige für zwei lärmgeplagte Barceloneser.

Mit erwähnter Zahnradbahn geht es am 18.07.2009 zu besagtem Kloster und wir erklimmen den 2.726m hohen Cim de la Coma del Clot. Die Tour soll laut Wanderbuch ca. 6h dauern. Wir bauen noch einen Pass (Coll de Torreneules, 2.515m) mit zugehörigem Gipfel (Torreneules, 2.711m) in die Tour ein und schaffen alles in knappen 5h (mit ca. 900 bewältigten Höhenmetern). Der Camino lässt grüßen!!! Und das in jeder Hinsicht. In guter alter Camino-Manier erwacht in Tanja die alte Pilgerin wieder und sie humpelt abends auf der Suche nach einem Restaurant durch den Ort. Die Knöchel und Knie schmerzen. Deja vu!

Am nächsten Tag fahren wir über das nahegelegene Setcases an die Liftstation des Skigebietes Vallter 2000. Von hier aus folgen wir dem GR11 und besteigen, vorbei am Refugio d'Ulldeter (2.220m) den Pic de Bastiments (2.881m). Wieder sind wir gute 5h (bei 950 Höhenmetern) unterwegs, und haben heute sogar die Wolkendecke durchbrochen. Oben bietet sich uns ein spektakulärer Ausblick auf die umliegenden Berge mit einem Panorama der Extraklasse.

Bestärkt durch unseren ersten wirklichen Ausflug in die Pyrenäen beschliessen wir, dies sobald wie möglich zu wiederholen. Das Schöne ist, man benötigt keine Erfahrung im hochalpinen Bereich, um einen der genannten Gipfel zu erklimmen. Und, man bekommt sogar Gemsen in freier Wildbahn zu sehen!!!

Es geht eben doch zusammen, was man nicht für möglich gehalten hätte. Wohnen am Meer und im Hochgebirge Wandern gehen.

Mittwoch, 15. Juli 2009

OpenText und Opium

TR - Gibt es einen besseren europäischen Ort, um ein internationales Meeting abzuhalten als Barcelona?

Und, was macht man in dieser Stadt, um die Sales-Belegschaft bei Laune zu halten und zu motivieren? Na klar, erstens: man schickt sie ins 5 Sterne-Luxus-Hotel Arts der Ritz-Carlton-Gruppe direkt am Strand des Olympischen Hafens, und zweitens: man feiert im Opium-Mar, einem der angesagtesten und coolsten Clubs dieser Stadt, direkt am Strand am Fusse des Hotels. Nur 2x umfallen und schon purzelt man in seine Designer-Suite mit Meeresblick.

Wolfgang aus Wien war als Teilnehmer eingeladen und hat ein paar Tage Urlaub drangehängt. Ein guter Zufall, dass Mike uns zeitgleich zu dem OpenText Event besucht. Wir verabreden uns daher für den Abend im Opium, wo wir vor 2 Jahren zuletzt waren. Doch damals hiess das „Opium Mar“ noch „Baja Beach“ und gehörte zu unseren Lieblingsrestaurants am Meer. In gemütlichen Korbstühlen konnte man Riesen-Portionen von Muscheln nach Seemannsart für nur 6 Euro essen und beim Blick aufs Meer Urlaubsgefühle bekommen.

Im darauf folgenden Winter passte sich das Baja dann dem allgemeinen Trend an und verwandelte sich in eine Location im kühlen Lounge-Look. Die gleichen Bedienungen servierten fortan die Seemanns-Muscheln in kleinen stylischen Schüsselchen, dafür aber zum doppelten Preis. Schick will sich schließlich keine Wampe anfressen, aber sein Geld loswerden. Die Disko im Gebäudeinneren wurde zum trendigen Club. Eine Änderung der Räumlichkeiten war dafür nicht nötig. 20 Euro Eintritt, House statt Diskomusik und das Bier für 7 Euro und schon strömen sie herein, die Schönen und Reichen. Oder zumindest die, die es sein wollen.

Da wir uns dieser Gruppe nicht zugehörig fühlen, wird uns zunächst der Einlass verwehrt. Wir seien zwar an sich korrekt gekleidet - Jörg und Mike haben sich immerhin mit Hemd in Schale geworfen - aber leider, so der freundliche aber bestimmte Türsteher, seien offene Schuhe bei Männern nicht erwünscht. Gleichberechtigung? Fehlanzeige!

Dank Mikes Connection zum Event-Team schaffen wir es doch noch an den Türstehern vorbei. Zwischen all den leicht bekleideten Chicas und Paris-Hilton-Doppelgängerinnen ist es nicht schwer, die OpenTextler ausfindig zu machen. Die Animierdamen takeln in Highheels und Bikins an uns vorbei, die Männer bekommen Stilaugen. Man kommt sich vor wie in einem dieser „Gugsch-Du“-Clubs, die man nur aus dem Tatort oder schlechten Filmen kennt. Und auch die weiblichen Besucher machen das alberne Spiel mit. Hier gilt die Devise: je höher der Schuh und je weniger Textil, desto besser. Das Alter kann es nicht sein, dass wir uns den gaffenden und triefenden Altersgenossen nicht so recht zugehörig fühlen. Sind wir zu naiv? Ich komme mir vor, wie in Klamotten an einem FKK-Strand.

Wir versuchen, das affige Gehabe um uns herum zu ignorieren und vertiefen uns in Gespräche mit den Münchnern. Aber auch hier fühle ich mich fremd. Liegt es daran, dass wir erst gerade vom Camino zurück sind? Oder, dass wir schon so lange in Spanien leben? Bei jedem Gespräch geht es nur ums Business im weitesten Sinne. Jeder definiert sich über seinen Job, obwohl keiner eigentlich zufrieden ist und alle gerne wechseln würden. Am liebsten in eine andere Branche.

Eine der ersten Fragen an diesem Abend ist immer: Was machst Du beruflich? Die Frage wirkt auf mich seltsam. Seit wir in Spanien leben bin ich noch nie beim ersten Gespräch nach meinem Job gefragt worden. Gibt es nicht Wichtigeres über einen Menschen zu erfahren, als welchen Job er ausübt, einen Job, mit dem er sich nicht identifiziert? Jeder ist erfolgreich, aber wer ist mit seiner Arbeit glücklich? Berufung zum Beruf zu machen scheint eine Utopie der 68er zu sein. Und doch träumt fast jeder davon.

Während des Schreibens dieses Artikels macht mich Jörg auf einen Spiegel-Bericht aufmerksam, der zum Thema passt und weiter zum Nachdenken anregt.

Montag, 13. Juli 2009

Visca Barcelona - Tour-de-France statt Vuelta

JK - Dieses Jahr ist es wieder einmal soweit, wie schon sechsmal vorher: die Tour de France kommt nach Barcelona. Man ist ja was Besonderes, als Katalane und Nicht-Spanier. So bemüht man sich lieber um ein Etappenziel der Tour de France, anstatt das landeseigene Pendant zur Tour, die Vuelta nach Barcelona zu holen. Letztere kommt hier schon lange nicht mehr vorbei. Cataluña ist ja nicht Spanien und somit ist das katalanische Interesse entsprechend gering, man könnte es schon fast als ignorant bezeichnen.

So haben sich die barcelonesischen Organisatoren einiges für die Tour-Ankunft am 9. Juli 2009 ausgedacht. Zwei Weltrekorde sollten aufgestellt bzw. gebrochen werden. Erstens sollte die größte "gelbe Welle" mit mehr als 13km Länge entstehen und zweitens sollten 500 Personen auf Spinning-Rädern (früher nannte man sie noch Heimtrainer) auf dem Passeig de Lluis Companys die Etappe von Girona nach Barcelona quasi im Stand mitpedalieren. Das virtuelle Pedalieren hat man dann auch geschafft, die Welle allerdings fiel - sozusagen - ins Wasser.

Starke Regenfälle und ungemütliches Wetter machten die Ankunft in Barcelona nicht zu dem, was sich der stolze Katalane darunter vorgestellt hat. Die für die "Welle" ausgeteilten 450.000 gelben Faltblätter nutzen die Zuschauer eher als Regenschutz denn als Begrüßung für die Fahrer. Geplant war, die Blätter nach oben in die Luft zu halten, sobald ein Fahrer vorbeifährt, damit von oben aus den Begleithubschraubern gesehen, der Eindruck einer "gelben Welle" entsteht. Diese sollte die Fahrer ins Ziel auf dem Montjuic begleiten.

Schließlich endet die Etappe im Sprint mit einem norwegischen Sieger. Auf einen katalanischen Etappen-Gewinner konnte mangels Teilnahme nicht gehofft werden. Und Spanier, so wie der voraussichtliche Gewinner der Tour 2009, Alberto Contador, sind ja keine Katalanen. Besonders dann nicht, wenn sie, wie Contador, in Madrid geboren sind. In diesem Sinne, Visca Barcelona!


Dienstag, 7. Juli 2009

Wir sind dann mal weg! - Unsere Erfahrungen auf dem Jakobsweg


TR - Die Tage vor der Abfahrt war ich aufgeregt wie vor keiner Reise zuvor. Das, was dieses Jahr als „Jahresurlaub“ anstand, war kein richtiger Urlaub. Wir betraten Neuland. Der Camino de Santiago, der Jakobsweg, ist keine Reise im konventionellen Sinn. Es ist eine Reise in eine andere Welt.

Diese Reise begann ohne stundenlange Flüge, Jet-Lag und eine völlig übermüdete Ankunft in einer fremden Kultur. Diesmal war alles anders: In wenigen Stunden Zugfahrt hatte ich bereits den Startpunkt meiner Reise erreicht: den ausgestorbenen Bahnhof in Logroño, Hauptstadt der Region La Rioja, welches Anbaugebiet des berühmten spanischen Weines ist. 636 km zu Fuß lagen vor mir, ich konnte es kaum glauben, was ich mir da vorgenommen hatte.
Jörg war bereits seit einer Woche unterwegs. Er hatte den Jakobsweg in den Pyrenäen im kleinen französischen Ort Saint-Jean-Pied-de Port begonnen.

Ab jetzt hieß es auch für mich jeden Tag gehen, gehen und gehen. Mein Rucksack war mit anfangs knapp 10 kg inkl. Wasser viel zu schwer. Bei meinem Körpergewicht wäre gut die Hälfte ideal gewesen. Aber was hätte ich weglassen sollen? Jeden Morgen zwickte und zwackte etwas anderes. Verspannte Rückenmuskulatur, rote Druckstellen vom Tragesystem des Rucksacks, ein Ziehen der Sehne am linken Fuß, brennende Ballen. Wir steigerten jeden Tag die Kilometerzahl, 13km, 16km, 21km, 23km...

Etwa 4 Tage brauchte ich, um mich „warmzulaufen“. Bis es einen gewissen Trott gab und sich der Frust ein wenig legte, bis ich mich ins „Pilgerleben“ eingefunden hatte. Dieses Dasein, das völlig basic ist. Damit meine ich nicht die einfache Unterkunft in den Herbergen oder die Reise mit nur 2 Sets Klamotten zum Wechseln, beides ist in unseren Urlauben ja normal. Es ist vielmehr der reduzierte Tagesablauf. Kein Anschauen aller Sehenswürdigkeiten, keine Suche nach besonderen Ereignissen, die man verpassen könnte, kein Organisieren des Transports von Ort A nach B, keine Unterkunftssuche. Als Pilger gibt es keinen Sightseeing- und Organisations-„Stress“. Alles ist ganz simpel: Aufstehen, frühstücken, wandern, Pause, wandern, Pause, wandern, beziehen der Herberge, duschen, Wäsche waschen, Austausch mit anderen Pilgern, Proviant für den nächsten Tag einkaufen, falls Zeit ist Tagebuch schreiben, essen, schlafen. Tag für Tag der gleiche Ablauf.


Ich sehnte mich nach einem exotischen Land, wo ich abends berauscht bin von den geballten, fremdartigen Eindrücken des Tages. Ich fragte mich, warum ich diesen Weg eigentlich ginge, wieso ich fast vier Wochen meines kostbaren Urlaubs opferte. Die Antworten kamen. Erstmalig beim Pilgersegen in dem kleinen Ort Belorado, und auch danach immer wieder: In unbeschreiblichen, emotionalen Momenten auf dem Weg, wenn ich die Lebensgeschichten anderer Pilger hörte, in Gottesdiensten, oder manchmal in Gesprächen mit Hospitaleros, den ehrenamtlichen Herbergsvätern.


Der Weg selber bietet nicht viel. Aber wahrscheinlich ist es genau diese Monotonie, die erforderlich ist, um eine innere Ruhe zu bekommen und sich öffnen zu können für diese andere Welt des Caminos. Diese zwischenmenschliche, emotionale, spirituelle oder vielleicht sogar transzendente Welt. Nie zuvor habe ich in meinem Leben so viel Emotionen gesehen und gespürt, nie zuvor so viele Leute gesehen, die feuchte Augen bekamen. Der Weg nimmt und gibt 1000-fach zurück. Der Weg ist das Ziel.

Am fantastischsten ist die Ankunft in Santiago. Die Emotionen, die jeder, der hunderte von Kilometern gelaufen ist, spürt, sind außergewöhnlich und für jeden individuell. Für uns war die Überschreitung der Stadtgrenze ein befreiendes Hochgefühl, doch richtig angekommen sind wir erst am nächsten Tag in der Kirche. Die dann erlebten Gefühle wiegen allen Schmerz und Frust der letzten Wochen auf. Dieses Gefühl, das jeder zwar individuell erlebt, aber jeden mit einer unglaublichen Wucht trifft, ist unbeschreiblich und macht den Weg zu etwas Einzigartigem. Nun können wir verstehen, warum so viele Menschen den Weg nicht nur einmal laufen, sondern immer wieder. Auch für uns wird dies sicher nicht der letzte Camino gewesen sein!