Mittwoch, 14. Februar 2007

Die neue Welt

TR - 2 Wochen sind wir nun in der neuen Welt. Und neu ist immer noch alles, wenn auch das Gefühl der Fremde bereits etwas schwindet. Ein kilometerlanger Kennenlern-Spaziergang am Wochenende führte uns in etliche uns unbekannte Stadtviertel. Mittlerweile sind wir uns einig, dass wir, im Gegensatz zu unserem ersten Eindruck nun doch hier, im Barri Gotic wohnen wollen. So edel, herausgeputzt und bevorzugt Viertel wie Gracia oder Sagrada Familia sein mögen, sie sind uns einfach zu ruhig. Hier, in der Cuitat Vella, hier pulsiert das Leben. Hier sind die vielen netten Bars und kleinen Geschäfte, hier gibt es nie Siesta, weder tags noch nachts.

Das unwohle Gefühl, dass uns vor einer Woche beim ersten Gang durch das Immigrantenviertel Raval beschlich, hat sich gelegt. Der berühmte Markt an der Rambla am Rande von Raval ist wirklich sehenswert. Im vorderen touristischen Teil alles fein säuberlich herausgeputzt mit touristischen Preisen, aber hinten und an den Seiten, das echte Raval. Der Boden dreckig, die Ware nicht mehr pittoresk dargeboten und die Kunden mit dunkler Hautfarbe. Vorne Shrimps und Langusten mit Kilo-Preisen von 26 €, hinten dann für 10 €. Aber ueberall die lebenden Krebse, Langusten und Muscheln. Eine Auswahl an Fischsorten, die unsere Kenntnisse an Sorten bei weitem übertrifft. Hier macht es Spaß ueber den Markt zu schlendern.

Abends ziehen wir noch mal los ins Gassengewirr. Wir finden eine nette Kneipe, in der auch gerade noch ein Plätzchen frei ist. Die Leute sind zwar wie überall in der Stadt noch etwas gewöhnungsbedürftig, aber das wird schon werden. Da sind wir doch von München her ganz anderes gewöhnt. Barcelona ist für uns sehr alternativ, eher so wie Berlin. Die Kneipen, die Menschen, die Mode. Alles ziemlich abgeschlappt.

Später gehen wir noch in eine andere Bar, das „Milk“, hier ist es schon etwas gestylter und doch gemütlich. An den Nebentischen sitzen zwar amerikanische angetrunkene junge Frauen mit (wahrscheinlich) deutschen Männern, aber das tut der Bar keinen Abbruch. Und immerhin, die Mädels sind, im Gegensatz zu den meisten Spanierinnen, sehr hübsch anzuschauen. Also hübsche Spanierinnen oder Spanier haben wir noch keine gesehen. Allesamt häßliche Vögel. Erstaunlich, denn das hatten wir uns nun ganz anders vorgestellt. Gerade das Bild der rassigen Spanierin, das sucht man hier vergeblich. Hier hat man den Eindruck, sie versuchen sich gegenseitig in Hässlichkeit zu übertreffen. Auch wenn bei manchen noch ein bisschen Schönheit vorhanden wäre, so wird diese nicht etwa betont, nein, sondern noch versteckt!

Die architektonische Schönheit der Stadt hingegen hat sich uns an diesem Wochenende in voller Pracht bei strahlendem Sonnenschein und frühlingshaften 18°C präsentiert. Da freut man sich, und vergisst, dass man vor einer Woche sich noch frierend in der winzigen Wohnung (ohne Heizung) mit dickem Fleecepulli unter der doppelten Daunendecke verkroch. Der Winter, so sagt man, sei hier nun vorbei….

Samstag, 10. Februar 2007

Stadtfest Santa Eulàlia

TR - Ganz schön voll hier, denke ich und schiebe mich durch die Menschenmassen auf dem Platz vor der Kathedrale. In der Luft liegt klassische Musik. Und nun sehe ich eine Bühne, auf der eine Ballettvorführung stattfindet. Wir erfahren, dass heute zu Ehren der Stadtpatronin, der Heiligen Eulalia, ein Fest gefeiert wird. Doch uns ist es hier etwas zu eng und die Show zu langweilig, daher laufen wir weiter zur Plaza Jaume, die aber ebenfalls voll gefüllt ist mit Leuten. Das hier ist allerdings wirklich sehenswert: hier zeigen die Castellers ihr Können und bauen menschliche Pyramiden, die wir schon in einem Barcelona Buch abgebildet gesehen haben. In Vierergrüppchen steigen sie aufeinander, die Pyramide wächst und wächst, bis zu sechs Stockwerke hoch. Zuoberst immer kleine Kinder, die an den Seiten hinaufkraxeln.


Diese Kletterer sind Gruppen der verschiedenen Stadtteile. Jede Gruppe eingehüllt in eine eigene Tracht in unterschiedlichen Farben. Einheitlich sind nur die breiten Gürtel aus Stoffbändern, die als Kletterhilfen benutzt werden. Erstaunlich, das ganze Spektakel scheinen sie nur für sich untereinander zu machen. Außer ein paar wenigen weiteren Zuschauern bestehen die meisten Zuschauer aus den Konkurrenzgruppen.

Wir schlendern hinunter zum alten Hafen, dem Port Vell, wo gigantisch große Segelboote auf ihren nächsten Einsatz vorbereitet werden. Auf der Mole ein riesiges Einkaufszentrum mit IMAX Kino, normalem Kino, Aquarium und vielen Restaurants. Wir fotografieren wie Segelboote nach einer Regatta in den Hafen einlaufen, die Spiegelungen des modernen Gebäudes, das Thermometer mit den untrügerischen 18° C und beobachten die BMX-Rad Artisten, die „mit dem Rad tanzen“.

Abends nach einer Stärkung an einem Strassencafe setzen wir zum zweiten Teil des Stadtfestes an: Auf der Avenida de la Catedral läuft eine Art Fastnachtsumzug. „Teufel“ der verschiedenen Stadtteile schwingen gigantische Wunderkerzen begleitet von wilden Trommlern. Pappmaschee-Drachen sprühen Feuer aus dem Schlund und den Nüstern hinein die Zuschauermenge. Kleine Kinder rennen und verstecken sich unter dem Feuerregen. Die Teufel tragen Schutzbrillen. Immer mehr und mehr Gruppen kommen die schmale Gasse hinunter, der Platz füllt sich und Trommelwirbel liegen in der Luft. Gleichzeitig entzündete Feuerregen hüllen den Platz in Licht und Rauch.

Wir wollen weiter zur Plaza Jaume durch die enge Gasse Bisbe, doch ein paar Minuten sind wir zu spät dran, denn nun ziehen sich die Drachen und Draculas genau durch dieses Gässchen wieder zurück. Wir versuchen zwischen zwei Gruppen durchzukommen, doch Zuschauer versperren den Durchgang. Die Drachen fühlen sich provoziert und sprühen ihr Feuer hinein in die zurückdrängende Menge. Hockend lässt Jörg den Feuerregen über sich ergießen.

Endlich auf dem Platz hat der Spuk sein Ende. Hier geht´s deutlich gemütlicher zu. Hier tanzt die ältere Generation den katalanischen Nationaltanz Sardana, begleitet von einem Live-Orchester. Sozusagen Rueda de Casino auf Katalanisch. Händchen haltend im Kreis bewegt man sich im Wiegeschritt, ab und zu ein paar Hüpfer zwischenrein. Mittanzen darf und kann jeder, die Jacken und Taschen lässt man auf dem Stapel im Zentrum der Kreise und reiht sich einfach ein. Der Takt ist schnell gefunden und ist ein Kreis zu groß, so bildet man einen weiteren innerhalb. Von einer Dame werden wir angesprochen, ich grübele und ehe ich überhaupt kapiere, dass ich ihre Worte gar nicht verstehen kann, antwortete Jörg schon, dass wir kein Katalán verstünden….Das ist genau das Problem, dass ich hier habe. Wenn jemand Katalán spricht, erkenne ich es nicht als solches, sondern versuche vergeblich das „Spanisch“ zu verstehen…

Nachdem sich das Orchester verabschiedet hat, sammeln sich die Verbleibenden zu einer Demo zu den Anschlägen 11-M. Die Sprecherin hat eine klare Aussprache, so dass ich ihr zumindest grob folgen und so zumindest nachvollziehen kann, dass es sich um die Anschläge in Madrid vor 3 Jahren handelt und dass sie für Gerechtigkeit kämpfen und die wahren Täter wissen wollen.

Mittwoch, 7. Februar 2007

Aller Anfang ist schwer

TR - Puh, die erste Woche in Barcelona liegt hinter uns. Neben dem spanischen Prepaid-Handy habe ich nun auch eine Sozialversicherungs-Nummer und die Ausländer-Nr. zumindest beantragt.

Da kommt man sich schon recht „aussätzig“ vor, wenn man zwischen all den verluderten Typen in der riesigen Schlange vor der Polizeibehörde, die sich quer über den ganzen Gehweg zieht, ansteht und dann noch erfährt, was man alles an Papieren braucht (die man nicht hat) und dass es 45 Tage dauert, bis man die Nr. zugeschickt bekommt. Aber den richtigen Schock habe ich gestern früh bekommen, als ich auf dem Weg zur „Seguridad Social“ eine Schlange von mehreren hundert Metern auf dem Gehweg sah…wie sich herausstellte, gehörte die Schlage zur Immigrationsbehörde, die Seguridad war ein paar Häuser weiter…

Die ersten 3 Arbeitstage habe ich nun auch überstanden. Wir sind zu dritt im Büro: Eveline, eine Schweizerin, an deren Stelle ich treten werde und Isabel, eine Spanierin. Isabel hat einen extrem starken spanischen Akzent („th“), mit dem ich so meine Mühe habe: Man stopfe sich den Mund voll mit Keksen und spreche dann extra schnell, weil man mit vollem Mund ja eigentlich nicht spricht…. Das ist Isabel!

Isabels Aussprache ist fast so schlimm wie das Katalán, die Sprache des täglichen Lebens hier. Da versteht man so gut wie gar nichts mehr und dann heisst es raten oder ignorieren, in der Hoffnung, dass die Information nicht wichtig war.

Meine Arbeitsstelle liegt in der Industriestadt Badalona zwischen lauter chinesischen Großhandels-Lagerstätten. Hier fühlt man sich dann noch verlorener, denn man kann noch nicht einmal die Schrift lesen… Mit der U-Bahn fährt dorthin fährt kaum jemand, leere Waggons die letzten paar Stationen und dann ein 10minütiger Fußweg. Eveline erzählte mir, dass dieses Viertel das Zweit-gefährlichste sei…

Tagsüber kämpfe ich mich im Moment durch mit Lieferscheinen und Rechnungen schreiben. Zum Glück muss ich im Moment noch nicht selber telefonieren, zuhören reicht mir schon zur Genüge.