Montag, 23. März 2009

Las Fallas de Valencia - oder die zelebrierte Vernichtung von Kunst und Vermögen

JK/TR - Letztes Jahr hat es schon nicht geklappt, doch dieses Jahr wollten wir uns die Chance, die Fallas, das traditionelle und mittlerweile international berühmte Frühlingsfest in Valencia zu besuchen, nicht entgehen lassen. Tanjas Schwester Hanna macht dort derzeit ihr praktisches Jahr im Rahmen ihres Medizinstudiums. Also eine perfekte Symbiose aus Familientreff und dem Kennen-lernen eines weiteren, kuriosen Brauchs in Spanien.

Hanna holt uns am Bahnhof ab und bugsiert uns auf unergründlichen Umwegen mit dem Bus durch das frühlingshaft blühende Valencia in die Wohnung ihres Arbeitskollegen Camilo, wo wir die kommenden beiden Nächte schlafen sollen. Die Stadt ist im Ausnahmezustand. Viele der Hauptstraßen sind gesperrt und die Fahrbahnen und Gehwege sind von Menschen und Müll übersäht. Über 2 Mio. Menschen sollen es an diesem Wochenende sein. Wir sind jetzt schon gespannt, wie sich die Fallas präsentieren werden. Wir bekommen den einzigen Schlüssel der Wohnung, da Camilo für diese Nacht nach Castellón zu einem Freund fährt. Ungewöhnlich für uns, dass ein Mensch seine Wohnung an Unbekannte vergibt, die er gerade einmal fünf Minuten zur Schlüsselübergabe gesehen hat und deren Schwester er auch nicht länger als vier Wochen kennt.

Das Fest der Fallas geht auf eine Tradition der valencianischen Zimmermänner zu Ehren ihres Schutzpatrons, dem Heiligen Josef aus dem XVIII. Jahrhundert zurück. Damals verbrannte die Zunft ihre Holzabfälle und alte Stoffe vor ihren Werkstätten und auf öffentlichen Plätzen. Man gab diesen Scheiterhaufen den Namen "Fallas". Heute kann man bei den kunstvollen Figurengruppen und ihrer kritischen Darstellung zeitgenössicher Szenen in keinster Weise mehr von der Verbrennung von "Müll" reden. Die Fallas sind zu regelrechten Kunstwerken geworden und die aufwendige Planung der Fallas für das kommende Jahr beginnt meist ein Jahr im Voraus.

Einige bemerkenswerte Zahlen zu den Fallas:
  • Von Wirtschaftskrise nichts zu spüren: waren es in den Jahren 2005 und 2007 mit 378 bzw. 386 Fallas noch ähnliche Zahlen, stieg diese in 2009 auf über 700 (!!!)
  • Die teuersten der 700 Fallas diesen Jahres kommen auf einen Wert von bis zu 900.000 Euro (!!!), welche dann im Rahmen der Cremà (Verbrennung) am Vorabend des 19. März jeden Jahres in den Nachthimmel von Valencia geblasen werden. Ein in Zeiten der Krise zweifelhafter Brauch, was übrigens auch so mancher Valencianer ähnlich sieht.
  • Im Rahmen der sog. Mascletàs, der täglichen Feuerwerke und Böllerkonzerte, wurden in 2006 Spitzenlautstärken von 117 Dezibel gemessen. Zum Vergleich: Ab 85 dB muss in Deutschland der Gehörschutz bereitgestellt werden. Dies entspricht dem Lärm eines startenden Airbus A320 aus einer seitlichen Entfernung von 300 Metern. Die max. wöchentliche Einwirkzeit (ohne Schaden zu nehmen) bei 120 dB beträgt 45 Sekunden!
Abends sehen wir uns den traditionellen Trachten- und Folklore-Umzug und das anschließende Feuerwerk auf dem Plaza de Ayuntamiento (Rathausplatz) an und müssen ein weiteres Mal feststellen, dass für die Spanier nicht "Geiz" sondern "laut" geil ist. Im Unterschied zu deutschen Feuerwerken steigen die Raketen kaum in den Himmel, sondern entzünden sich knapp über den Häusern. Dies bewirkt, dass man die Explosionen nicht nur hören, sondern auch als Druckwelle unmittelbar spüren kann. Aber immerhin ist es ein buntes Farbenspiel im Gegensatz zu den täglich ebenfalls stattfindenden rein akustischen Mascletàs, die lediglich eine Mischung aus dem Knallen und Krachen der Böller sind und es nur auf die Lautstärke und die "Choreografie" der Explosionen ankommt. Nach dem Feuerwerk gegen zwei Uhr nachts machen wir uns auf den Heimweg, der sich als ein Marsch von ca. einer Stunde entpuppt. Die Stadt Valencia ist geprägt von - für barcelonesische Verhältnisse - unglaublich großen Entfernungen und zudem nicht in der Lage, ein funktionierendes öffentliches Transportwesen zu organisieren. Taxen sind nicht zu bekommen und Busse fahren keine. Also, laufen.

Am nächsten Tag ziehen wir durch die Stadt, um uns die spektakulärsten haushohen Fallas anzusehen. Unser Gastgeber Camilo ist bereits im Pyjama als wir zurückkommen. Wir verbleiben mit ihm, dass er, wenn er in der Früh zur Arbeit geht, den Schlüssel mitnimmt und wir dann, wenn wir gehen, die Wohnungstür einfach zuziehen sollen.

Geduscht und mit dem Gepäck parat wollen wir uns am nächsten Morgen auf den Weg machen. Es bleibt beim Wollen. Camilo hat beim Verlassen der Wohnung diese gewohnheitsmäßig abgeschlossen und uns eingesperrt. Da sitzen wir nun und guter Rat ist teuer. Zu allem Überfluß hat Camilo als Chirurg auch noch Nachtdienst. Dies bedeutet 24 Stunden in der Klinik bis am Dienstag früh um 11.00 Uhr. Was tun? Wir rufen alle uns bekannten Handynummern an und versuchen unsere "Befreiung" zu organisieren. Aber natürlich hat weder ein Arzt noch eine werdende Ärztin im OP ihr Handy dabei. Wir bangen schon, dass wir unseren Zug nach Barcelona verpassen... Aber irgendwie haben wir doch Glück und werden zwei Stunden später von Hannas Freund in die Freiheit entlassen.

Wer sich rund um den 19. März in der Nähe von Valencia aufhält, der sollte einen Besuch der Fallas einplanen und sich von den chaotischen Verhältnissen wie auch von der zur Schau gestellten Kunst inspirieren und verzaubern lassen. Wer gößere Menschenansammlungen scheut und/oder schlecht zu Fuß ist, dem sei ein Aufenthalt in Barcelona empfohlen ;-)

Wer mehr über die Fallas erfahren möchte, der kann sich hier informieren.

Mexikanisch-kolumbianische Hochzeit

JK - Freitag der 13. - Manch einer verbindet damit die abergläubische Vorstellung, an dieser Datums-Tages-Kombination geschähen gehäuft merkwürdige, ja negative Dinge. Nicht so für Carlos und Zulma, ein befreundetes Pärchen, die sich diesen Termin ganz bewußt für ihr Ja-Wort ausgewählt haben. Wir erleben unsere erste Hochzeit nach spanischem Recht und den hier üblichen "Zeremonien". Um es gleich vorne wegzunehmen, es war eine ungewöhnliche Hochzeit. Das "Recht" mag ja spanisch gewesen sein, alles andere war eine nicht zuordenbare, virtuose Mischung aus Individualität und Spontanität. Bis auf den Friseurtermin der Braut und den offiziellen Termin beim Standesamt war so ziemlich nichts geplant und wurde dem Zufall überlassen. Man kann es auch nicht als Motto-Hochzeit bezeichnen, dafür waren die Motti der anwesenden Gäste aus zehn verschiedenen Nationen doch zu unterschiedlich. Der Bräutigam in einer eigenwilligen Kombination aus Lumberjack-Stiefeln und einem Cord-Samt-Sacko (immerhin war alles in schwarzen Tönen gehalten), andere Gäste hingegen im Mammut-Windstopper oder sogar im Anzug mit Krawatte gereichten nicht so recht zu einem einheitlichen Motto. Auch die Braut war nicht unmittelbar als solche zu erkennen, eher als ein gut gekleideter, unbeteiligter Gast der Hochzeit.

Nach einer 1,5-stündigen Frisier- und Schminksitzung bei einem Coiffeur ging es zu Fuß zum Standesamt. Traditionsgemäß waren Tanja und ich als ambitionierte Hobbyfotografen für die bildliche Dokumentation der Hochzeit "engagiert" und somit von Anfang an (zumindest ich) dabei. Die erste Eigenheit einer spanischen Hochzeit zeigte sich dann im Rahmen der "Zeremonie" vor dem Standesbeamten. Nicht nur, dass der musikuntermalte Einzug des Paares plötzlich und unvermittelt erfolgte, nein, auch die eigentliche Trauung dauerte nicht länger als 5 Minuten. Nach einer kurzen Abhandlung des Standesbeamten über die Geschichte von Grácia und seiner Immigranten stellte für uns die Erwähnung, dass während der Trauung alles erlaubt sei (lachen, weinen, fotografieren, filmen, etc.) eine gewisse Herausforderung beim Fabrizieren der Fotos dar. Ein Gutteil der Anwesenden nahm nämlich die Aufforderung für bare Münze und stürmte zum Schreibtisch, um der feierlichen Unterschrift aus nächster Nähe beizuwohnen.

Im Anschluß ging es zum pica-pica in eine Bar um die Ecke des Standesamtes. Die gereichten Tapas waren erwartungsgemäß überschaubar, aber in dieser Weise auch angekündigt. Untermalt von einer aus zwei Personen bestehenden Band, lernte man die Anwesenden näher kennen, um dann nach einer guten Stunde bereits die ersten wieder zu verabschieden. Der Rest der Meute zog weiter in eine andere Bar, die spontan zwischen den restlichen Gästen und dem Brautpaar als adäquat auserkoren wurde. Dort angekommen wurde das Brautpaar vermisst, welches sich kurzerhand nach Hause verabschiedet hatte und nach einiger Zeit in Freizeit-Garderobe wieder in der Bar erschien. Ab diesem Zeitpunkt war der Unterschied zwischen Brautpaar und Gästen vollständig verwischt und der Abend entwickelte sich zu einem gemütlichen Sit-in ohne besondere Vorkommnisse. Im Verlauf der Zeit machte sich das spärliche pica-pica bemerkbar und wir wechselten zu einem Kebap, um unsere knurrenden Mägen zu befüllen. Um 2.00 Uhr des Nächtens verabschiedeten wir uns von dem verbliebenen Häufchen Gäste.

Alles in allem war die Hochzeit eine Erfahrung der anderen Art. Geprägt von Unerwartetem und fehlender Feierlichkeit haben eine Kolumbianerin und ein Mexikaner sich das Ja-Wort gegeben. Und wäre man nicht zu Beginn des Abends auf dem Standesamt gewesen, man hätte es vermutlich nicht bemerkt. Aber immerhin, wir haben ein paar nette Leute kennen gelernt und einen kurzweiligen und abwechslungsreichen Abend verlebt.

Mittwoch, 4. März 2009

Zapatero und der Sex-Tourismus

JK - Wer hat nicht schon von Sex-Tourismus gehört und insbesondere nach der Öffnung des Ostens verstärkt auch in Russland. Das wurde nun auch auf höchster spanischer Regierungsebene offiziell bestätigt, wenn auch eher unfreiwillig. Der spanische Regierungschef Jose Luís Rodríguez Zapatero ist der Meinung, dass man die Entwicklung der Tourismuszahlen zwischen Spanien und Russland unterstützen und die diesbezügliche Zusammenarbeit weiter intensivieren sollte. Dass er sich dabei etwas missverständlich ausdrückte, beweist ein weiteres Mal die Theorie des Freud'schen Versprechers. Der Geist sagt das, was der Mensch eigentlich nicht sagen will. So geschehen bei einer gemeinsamen Pressekonferenz zwischen Zapatero und dem russischen Präsidenten Medwedew. Anstatt des vom "Menschen" Zapatero gewünschten Wortes "unterstützen" rutschte dem "Geist" Zapatero das spanische Wort für "miteinander schlafen" bzw. in der in Spanien benutzten, vulgären Version "ficken" heraus. Zugegebenermaßen klingen die Wörter "apoyar" (unterstützen) und "follar" auf spanisch sehr ähnlich, aber soviel Offenheit hätte der geneigte Zuhörer dann doch nicht erwartet. Aber so sind sie eben, die Spanier, in jeglicher Hinsicht ein klein wenig extrovertierter und mitteilungsbedürftiger als die anderen.

Wer Spanisch kann, der möge sich selbst ein Bild der spanischen Offenheit machen:



Der Lapsus kommt ganz am Schluß des Videos.

Quellenangabe zum Foto von Zapatero: entnommen von http://de.wikipedia.org/wiki/Jos%C3%A9_Luis_Rodr%C3%ADguez_Zapatero