Donnerstag, 28. Mai 2009

Der Berg ruft!

TR - Schroffe Felshänge, die weite Sicht in die Ferne und das Wandern auf schmalen Bergpfaden ist mir in den Alpen so ans Herz gewachsen, dass es mir hier regelrecht fehlt. Nachdem wir mittlerweile etliche Küstenwege v.a. in und um Barcelona auswendig kennen, machen wir uns seit Ende April jedes Wochenende auf zu einem der vielen nahen Gebirge.

Im Hinterland Barcelonas bieten zwei Bergketten Abwechslung: Zum einen die ungewöhnliche Bergformation „Montserrat“ mit der gleichnamigen Klosteranlage und frontal gegenüber der Naturpark Sant Llorenç del Munt mit wunderschönen Ausblicken auf den „zersägter Berg“, was „Montserrat“ auf katalanisch bedeutet. Etwas weiter Richtung Norden liegt das knapp 1800 m hohe Montseny-Gebirge, welches stark an die Bayrischen Voralpen erinnert und auch die Ostpyrenäen sind nicht weit, wo wir das verlängerte Wochenende vom 1.Mai verbringen.

Für unseren Montserrat-Ausflug bringt uns die Zahnradbahn bei schönem Sonnenschein zum 725m hoch gelegenen Benediktinerkloster, welches während des spanischen Bürgerkriegs und in der Zeit danach ein Symbol des Widerstandes gegen Franco war. Ein Marienweg führt zur nahegelegenen Kapelle Santa Cova und weiter geht es auf schmalen Pfaden zum höchsten Punkt des Bergmassivs (1.236m). Wir sehen den Gipfel Sant Jeroni schon vor uns, als sich eine tiefschwarze Wolke heranschiebt. Gerade noch rechtzeitig die Regenjacke aus dem Rucksack gekramt, fängt es auch schon an zu schütten. Wir flüchten uns in die Bergstation der Seilbahn, die bereits als Sammellager für Touristen, Wanderer und Pilger dient. Vom geschützen Raum aus beobachten wir, wie nun nicht mehr nur Regen, sondern Hagel, Graupel und Schnee vom Himmel fallen. Die Temperatur ist in Minutenschnelle geradezu abgestürzt. Gerade noch Sonnenschein und T-shirt-Wetter und jetzt könnte man durchaus die Winterjacke gebrauchen!

So schnell wie der Spuk kam, ist er auch schon wieder verschwunden. Nur der graue Himmel und die weisse Spenkelung des Weges und der Vegetation lassen erkennen, was hier los war. Auf einem breiten Fahrweg steigen wir schnell bergab und besichtigen noch die Klosterkirche. Die Masse der Touristen ist verschwunden und so können wir in Ruhe einen Blick auf die berühmte Marienstatue werfen, die im Volksmund wegen des dunklen Holzes aus dem sie geschnitzt ist "la Moreneta" genannt wird und im Klosterhof eine Kerze anzünden.

Am 1.Mai nutzen wir die drei freien Tage um etwas weiter in die Berge zu kommen. Den eigentlichen Plan, in die Pyrenäen zu fahren, mussten wir zwar wegen der winterlichen Verhältnisse dort verschieben, aber so fahren wir in die Vorpyrenäen an der französischen Grenze. Die Sonne lockt für eine lange Tagestour. Womit wir nicht gerechnet hatten, ist der Wind. Oder vielmehr Sturm. Nirgendwo ausserhalb Patagoniens haben wir bisher eine solche Windkraft bei gleichzeitig strahlend blauem Himmel erlebt.

Ein etwas mulmiges Gefühl habe ich schon, aber solange wir im schützenden Wald laufen, müssen wir nur darauf achten, dass uns keine Äste auf den Kopf fallen oder wir gar von einem Baum erschlagen werden. Unangenehm wir es, als wir den Wald verlassen. Einerseits haben wir einen umwerfend schönen Blick auf die schneebedeckten Gipfel der Hochpyrenäen und auf das blaue Meer, doch leider können wir ihn nicht geniessen – nur schnell wieder weg.

Ich grübele, ob es überhaupt möglich sein wird, über die Krete zum Gipfel zu kommen oder ob es zu gefährlich werden wird. Stundenlang begegnen wir keiner Menschenseele. Doch plötzlich wie aus dem Nichts tauchen drei Wanderer auf, die vom Gipfel kommen. Das macht micht zuversichtlich. Und schliesslich, welchŽ Beruhigung, sehen wir grasende Kühe am Hang unterhalb des Gipfels. Ein sicheres Zeichen, dass es dort relativ windstill sein muss! Hat der Wind gedreht oder ist es nur die Windschattenseite? Egal, zumindest beim Gipfelanstieg und im Abstieg haben wir tatsächlich Glück und können entspannt die fantastische Aussicht auf unseren Startpunkt und die umliegende Umgebung geniessen.

Montag, 25. Mai 2009

Grün färbt ab?!

TR/JK - Jörgs Dreadlocks wollen zwar nicht recht wachsen und meine Künste für selbst genähte Hippie-Klamotten lassen auch zu wünschen übrig, aber auch ohne das entsprechende Outfit nehmen wir an den reichlich vorhanden „grünen“ Events in Barcelona rege teil. Auf der einen Seite bergen die Messen und Straßenfeste zum Thema „Bio“ und „Fair Trade“ eine gewisse Ironie in sich, andererseits ist es bitter nötig in einem Land, das –in jeglicher Hinsicht– zu den „schmutzigsten“ der Europäischen Union zählt. Schlimmer noch: Katalonien ist Spaniens größter Schmutzfink.

Immerhin versucht Spanien und insbesondere Katalonien ihren Einwohnern mit kostenlosen Veranstaltungen wie dem „Día del consumo responsable“ (Tag des verantwortungsvollen Konsums) eine überhaupt nicht spanische Denk- und Lebensart nahe zu bringen. Das Interesse für die wahren Inhalte der Veranstaltungen hält sich dementsprechend in Grenzen. Stattdessen üben kostenlose Stoff-Umhängetaschen oder gratis verteilte Häppchen eine größere Anziehungskraft auf die Mehrheit des Publikums aus. In Zeiten der Krise mag man dafür Verständnis aufbringen, ein wenig nachdenklich stimmt es aber schon.

Kürzlich strömen wir mit Tausenden zur wichtigsten spanischen Öko-Messe Biocultura zum Barceloner Hausberg Montjuic. Doch seltsam: die Besuchermassen wollen nicht so recht zusammen passen. Einerseits die "Öko-Barcelonesen", andererseits das typische „It’s never too dark to be cool“-Publikum der Vororte mit den Typen, die auch in tiefster Nacht ihre Sonnenbrille nicht absetzen. Was wollen die denn hier? Das Rätsel ist schnell gelöst: die Biocultura findet in der ehemaligen Olympiahalle auf dem Montjuic statt und in den Messehallen am Fuße des Montjuic zeitgleich der Barcelona Autosalon...

Auf der „Biocultura“ hingegen trifft sich die Birkenstock-Elite und man kann sich den ein oder anderen stylischen Modegag für die selbst gehäkelten Söckchen abgucken. Es herrscht reges Besucherinteresse an den einzelnen Ständen und man merkt: hierher kommen nur die „Echten“. Es gibt sie also doch in Barcelona!

Am Weißen Sonntag (oder vielleicht eher "grünen" Sonntag) geht es zur Messe „Expo EcoSalud“, die ganz im Zeichen von Ökologie und Gesundheit steht. Und Esotherik! Viel Fragwürdiges wie allerlei seltsame Massagegeräte, Himalaya-Salz oder Bachblüten-Therapie. Ganz besonders beliebt ist eine Waschkugel, die man in die Waschmaschine gibt und sodann angeblich kein Waschmittel braucht. Klingt zu schön um wahr zu sein. Habt Ihr davon schon mal gehört oder gar ausprobiert? Feedbacks willkommen!

Den vorläufigen Abschluss der „Flower-Power“ Wochen von Barcelona bildete die "Fira de la Terra“ anlässlich des „Tags der Erde“ am Arc de Triompf und im Parc Ciutadella. Erstaunlicherweise mussten wir feststellen, dass dieser „Earth Day“schon seit 1970 „gefeiert“ wird, wir davon bislang nur nichts mitbekommen hatten.

Ein wirklich lohnenswertes Fest hier in Barcelona. Auf den ersten Blick denkt man, man sei auf dem Münchner Tollwood. Unzählige Essensstände, Kunsthandwerk und Anbieter regionaler Produkte laden dazu ein, sein Geld auszugeben. Wenn man sich schließlich durch die kommerzielle Seite des Festivals durchgekämpft hat, geht es weiter zu den NGOs (Nicht-Regierungs-Organisationen) und dem „Wo bitte geht’s hier zur Erleuchtung?“-Bereich.

Von A wie Ashram bis Z wie Zentren für Meditation und Yoga ist alles geboten. Die Free-Tibet-Initiative wirbt für ein Benefizkonzert mit tibetanischen Snacks und am Stand nebenan kann man sich auf eine Matte legen und für 10 Euro von einem ausgewachsenen Mann auf dem Rücken herumtrampeln lassen. Thai Massage steht auf dem Schild. Ich lasse mich lieber von Hare-Krishna Klängen an die Buden gegenüber locken. Ein Erleuchteter offeriert Tantra-Kurse und die Vereinigung der vegetarischen Osho-Jünger verbreiten die Lehren Bhagwans unter Räucherstäbchen-Duft.

An manchen Stellen fühlt man sich wahrhaftig nach Indien versetzt, wandelnd von Geistheiler zu Guru. An einem Stand betrachte ich die Fotos einer indischen Spirituellen, um mich zu vergewissern, ob es sich hier tatsächlich um Amma - DER Hugging Mother handelt, deren Ashram wir eigentlich auf unserer Indienreise besuchen wollten, doch die damals ausgerechnet gerade auf Welt-Tournee war! Noch bin ich am Grübeln, als mich - ganz in indischer Manier - ein kleines Mädchen mit großen dunklen Augen anspricht, ob ich Amma kenne und zieht mich zu einer Liste, in die ich mich eintragen soll, um weitere Infos zu erhalten. Nein danke. Meine Neugier ist bereits befriedigt.

Alles in allem muss man anerkennen, dass Barcelona auch hinsichtlich des ökologisch-biologischen Trends vieles zu bieten hat, wenngleich man anmerken muss, dass die Lebensphilosophie (noch?) nicht auf einer breit fundierten Basis aufbauen kann. Vielen merkt man an, dass sie aus Neugier gekommen sind. Aber Neugier ist ja oft der erste Weg zur Überzeugung. Und wenn man dann noch das ein oder andere Häppchen oder eine billige Massage bekommen kann, mobilisiert das sogar den Katalanen.