Montag, 25. Mai 2009

Grün färbt ab?!

TR/JK - Jörgs Dreadlocks wollen zwar nicht recht wachsen und meine Künste für selbst genähte Hippie-Klamotten lassen auch zu wünschen übrig, aber auch ohne das entsprechende Outfit nehmen wir an den reichlich vorhanden „grünen“ Events in Barcelona rege teil. Auf der einen Seite bergen die Messen und Straßenfeste zum Thema „Bio“ und „Fair Trade“ eine gewisse Ironie in sich, andererseits ist es bitter nötig in einem Land, das –in jeglicher Hinsicht– zu den „schmutzigsten“ der Europäischen Union zählt. Schlimmer noch: Katalonien ist Spaniens größter Schmutzfink.

Immerhin versucht Spanien und insbesondere Katalonien ihren Einwohnern mit kostenlosen Veranstaltungen wie dem „Día del consumo responsable“ (Tag des verantwortungsvollen Konsums) eine überhaupt nicht spanische Denk- und Lebensart nahe zu bringen. Das Interesse für die wahren Inhalte der Veranstaltungen hält sich dementsprechend in Grenzen. Stattdessen üben kostenlose Stoff-Umhängetaschen oder gratis verteilte Häppchen eine größere Anziehungskraft auf die Mehrheit des Publikums aus. In Zeiten der Krise mag man dafür Verständnis aufbringen, ein wenig nachdenklich stimmt es aber schon.

Kürzlich strömen wir mit Tausenden zur wichtigsten spanischen Öko-Messe Biocultura zum Barceloner Hausberg Montjuic. Doch seltsam: die Besuchermassen wollen nicht so recht zusammen passen. Einerseits die "Öko-Barcelonesen", andererseits das typische „It’s never too dark to be cool“-Publikum der Vororte mit den Typen, die auch in tiefster Nacht ihre Sonnenbrille nicht absetzen. Was wollen die denn hier? Das Rätsel ist schnell gelöst: die Biocultura findet in der ehemaligen Olympiahalle auf dem Montjuic statt und in den Messehallen am Fuße des Montjuic zeitgleich der Barcelona Autosalon...

Auf der „Biocultura“ hingegen trifft sich die Birkenstock-Elite und man kann sich den ein oder anderen stylischen Modegag für die selbst gehäkelten Söckchen abgucken. Es herrscht reges Besucherinteresse an den einzelnen Ständen und man merkt: hierher kommen nur die „Echten“. Es gibt sie also doch in Barcelona!

Am Weißen Sonntag (oder vielleicht eher "grünen" Sonntag) geht es zur Messe „Expo EcoSalud“, die ganz im Zeichen von Ökologie und Gesundheit steht. Und Esotherik! Viel Fragwürdiges wie allerlei seltsame Massagegeräte, Himalaya-Salz oder Bachblüten-Therapie. Ganz besonders beliebt ist eine Waschkugel, die man in die Waschmaschine gibt und sodann angeblich kein Waschmittel braucht. Klingt zu schön um wahr zu sein. Habt Ihr davon schon mal gehört oder gar ausprobiert? Feedbacks willkommen!

Den vorläufigen Abschluss der „Flower-Power“ Wochen von Barcelona bildete die "Fira de la Terra“ anlässlich des „Tags der Erde“ am Arc de Triompf und im Parc Ciutadella. Erstaunlicherweise mussten wir feststellen, dass dieser „Earth Day“schon seit 1970 „gefeiert“ wird, wir davon bislang nur nichts mitbekommen hatten.

Ein wirklich lohnenswertes Fest hier in Barcelona. Auf den ersten Blick denkt man, man sei auf dem Münchner Tollwood. Unzählige Essensstände, Kunsthandwerk und Anbieter regionaler Produkte laden dazu ein, sein Geld auszugeben. Wenn man sich schließlich durch die kommerzielle Seite des Festivals durchgekämpft hat, geht es weiter zu den NGOs (Nicht-Regierungs-Organisationen) und dem „Wo bitte geht’s hier zur Erleuchtung?“-Bereich.

Von A wie Ashram bis Z wie Zentren für Meditation und Yoga ist alles geboten. Die Free-Tibet-Initiative wirbt für ein Benefizkonzert mit tibetanischen Snacks und am Stand nebenan kann man sich auf eine Matte legen und für 10 Euro von einem ausgewachsenen Mann auf dem Rücken herumtrampeln lassen. Thai Massage steht auf dem Schild. Ich lasse mich lieber von Hare-Krishna Klängen an die Buden gegenüber locken. Ein Erleuchteter offeriert Tantra-Kurse und die Vereinigung der vegetarischen Osho-Jünger verbreiten die Lehren Bhagwans unter Räucherstäbchen-Duft.

An manchen Stellen fühlt man sich wahrhaftig nach Indien versetzt, wandelnd von Geistheiler zu Guru. An einem Stand betrachte ich die Fotos einer indischen Spirituellen, um mich zu vergewissern, ob es sich hier tatsächlich um Amma - DER Hugging Mother handelt, deren Ashram wir eigentlich auf unserer Indienreise besuchen wollten, doch die damals ausgerechnet gerade auf Welt-Tournee war! Noch bin ich am Grübeln, als mich - ganz in indischer Manier - ein kleines Mädchen mit großen dunklen Augen anspricht, ob ich Amma kenne und zieht mich zu einer Liste, in die ich mich eintragen soll, um weitere Infos zu erhalten. Nein danke. Meine Neugier ist bereits befriedigt.

Alles in allem muss man anerkennen, dass Barcelona auch hinsichtlich des ökologisch-biologischen Trends vieles zu bieten hat, wenngleich man anmerken muss, dass die Lebensphilosophie (noch?) nicht auf einer breit fundierten Basis aufbauen kann. Vielen merkt man an, dass sie aus Neugier gekommen sind. Aber Neugier ist ja oft der erste Weg zur Überzeugung. Und wenn man dann noch das ein oder andere Häppchen oder eine billige Massage bekommen kann, mobilisiert das sogar den Katalanen.

1 Kommentar:

  1. Hallo Tanja,

    du hattest mir einen Kommentar zu meinen Blog-Eintrag "Der Katalane an sich" geschrieben. Ich war sehr überrascht, jetzt immer noch Kommentare zu meinen Blog zu erhalten, da das Blog schon älter als 2 Jahre ist; umso mehr habe ich micht darüber gefreut!

    Deine Frage hat mich selbst wieder zum Nachdenken gebracht, und ich habe gemerkt, dass meine heutige Meinung zum Teil von der damaligen abweicht. Gerne würde ich mit dir meine Gedanken teilen, allerdings nicht unbedingt in Form eines öffentlich einsehbaren Blog-Kommentars ;) Wenn du auch an einem Erfahrungsaustausch Interesse hast, dann schreib mir doch eine Email an
    mgruettn "at" rumms.uni-mannheim.de

    Ich würde mich freuen.

    Viele Grüße aus dem sonnigen Frankfurt,

    Mario

    AntwortenLöschen