Sonntag, 16. August 2009

Verirrt in den Pyrenäen

TR - In rund einer Stunde erreichen wir von Barcelona aus die Costa Brava. Oder die Pyrenäen. Am ersten August-Wochenende fällt die Münze erneut für das Hochgebirge.

Wir zelten auf dem kleinen Campingplatz des 2000-Seelen-Dorfes Bagà am Fuße der Zentralpyrenäen, auf dem sich erstaunlich viele Spanier mit fest installierten Wohnwägen ein kleines Feriendomizil geschaffen haben. Am nächsten Morgen starten wir unsere Tour in den Naturparks Cadi-Moixero.

Nehmt doch den GR bis zur Schutzhütte! Der drahtige katalanische Wanderer zeigt uns auf seiner Karte einen Alternativweg zum Gipfel, der an der Hütte vom Fernwanderweg GR 107 abzweige. Wir verlassen uns jedoch lieber auf unser Wanderbuch, als auf unsere rudimentären Katalan-Kenntnisse. Stundenlang stampfen wir den steilen, mit seltenen Steinmännchen markierten Pfad durch den dichten Wald bergauf. Immer wieder zweigen Spuren ab, die sich meist nach wenigen Metern im Gebüsch verlaufen. Als wir endlich das Gehölz verlassen, eröffnet sich uns ein Panorama. Das muss der Coll de Cabrera sein! Doch seltsam. Wir waren schon 4 Stunden gelaufen und sollten noch nicht einmal ein Drittel der Tour hinter uns haben? Das konnte eigentlich nicht sein.

Wir entdecken einen anderen, mit orangenen Punkten markierten Steig. Doch weder in unserem Wanderführer noch auf unserer Karte ist dieser Weg eingezeichnet. Aber, dies könnte der Pfad sein, den der Katalane erwähnt hatte. Wenn das stimmte, müssten wir hier direkt auf die Hütte treffen. Lass uns den Abstieg beginnen! Schnell verlieren wir an Höhe und bald stoßen wir tatsächlich auf einen rot-weiß gekennzeichneten GR. Gehen wir nach links bergauf oder nach rechts bergab? Eigentlich müssten wir nach links, nach Osten, von den Höhenlinien unserer Karte aber bergab nach rechts. Das irritiert uns.

O.k., unsere Karte ist etwas grob, aber die Höhenlinien sind eindeutig. Bergauf macht keinen Sinn. Also stapfen wir weiter gen Tal. Doch auch nach unzähligen Serpentinen laufen wir immer noch der Sonne entgegen. Auch die Hütte hatten wir bisher nicht gesehen. Als plötzlich der Weg wieder bergauf führt, beschleicht uns ein ungutes Gefühl. Es ist bereits 17 Uhr und über uns türmen sich dunkle Gewitterwolken auf.

Mein Orientierungssinn sagt mir, dass wir falsch sein mussten. Mittels Kompass, Höhenmesser und Karte sondieren wir erneut unsere Position. Doch auch die Technik hilft uns nicht weiter. Könnte nicht einfach endlich mal eine Menschenseele hier auftauchen, die wir fragen könnten? Doch diese Hoffnung fußte auf schwachen Beinen. Den ganzen Tag seit unserer Begegnung mit dem Katalanen am Ausgangspunkt waren wir niemandem mehr begegnet. Aber wie ein Wunder, kaum gedacht, sehen wir ein Schild und eilen hin. Der erste Wegweiser an diesem Tag! Doch leider ist der obere Teil abgebrochen. Auf dem verbliebenen Rest steht Coll de Pendis. Was soll denn das? Wir studieren erneut die Karte. Der Coll liegt auf 2000 Metern und wir befinden uns auf 1000 Metern. Wo sind wir nur?

Ich schaue mich um und entdecke eine auffällige Bergkette auf der gegenüberliegenden Seite des Tals. Da ich diese noch nie zuvor gesehen hatte, hatte ich die Gewissheit: wir waren ins falsche Tal hinabgewandert.

Was haben wir für Möglichkeiten? In den Alpen wären wir wohl einfach einem Weg ins Tal gefolgt, um unten in einem Dorf mit einem Bus oder ggf. Taxi zu unserem Ausgangspunkt zurück zukommen. Doch hier? Die Pyrenäen sind spärlich besiedelt. In vielen Tälern gibt es keine Straßen und schon gar keine Orte. Das konnten wir aufgrund der fortgeschrittenen Uhrzeit und Wettersituation nicht riskieren. Es gibt also nur eine Alternative: zurück!

Bei dem Gedanken kommt nicht gerade Freude auf. Viele Stunden bergauf und bergab haben wir hinter uns und langsam machen sich die Muskeln bemerkbar. Aber, was haben wir beim Jakobsweg gelernt? Es ist alles eine Frage des Willens! Also, auf geht es! Minute um Minute gewinnen wir an Höhe und erreichen schon bald die Weggabelung, an der wir auf den GR abgezeigt waren. Diesmal folgen wir ihm in die richtige Himmelsrichtung weiter bergauf. Und tatsächlich: gar nicht so viel später passieren wir erneut einen Pass und die dortige Wegschilderung signalisiert uns, dass wir diesmal richtig sein müssen.

Nach mehr als 7 Stunden Gehzeit erreichen wir unseren Ausgangspunkt. Was für eine Tour! Erschöpft und glücklich machen wir es uns auf der Terrasse der kleinen Campingplatzkneipe gemütlich und genießen die Ruhe. Die Ruhe vor dem Sturm. Wir merken gar nicht, wie sich der Himmel in Kürze pechschwarz verdunkelt. Als Blitz und Donner fast zeitgleich über uns herein brechen, haben wir gerade noch Zeit ins Kneipeninnere zu flüchten.

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